Die Statue (Stillleben I)

Keiner hatte jene moosbewachsene, graue Statue jemals beachtet -- und keiner dachte daran, ihren kalten Fels einmal zu berühren, doch als sie eines Morgens plötzlich weg war, merkten die Menschen, dass etwas in ihrer Mitte fehlte. Keiner bemerkte sofort, was es war, einige brauchten Jahre um zu begreifen, dass jener Greif, der die Schlange erwürgte, nicht mehr in ihrer Mitte weilte und Beobachter all ihrer Worte, Leser all ihrer Taten war.
Manche blieben andächtig stehen, starrten einen Moment auf die schwärzlichen Pflastersteine, die keine Erinnerung an die Statue zeigten. Keiner -- wirklich keiner -- schaffte es jemals ein Bild von dieser Statue zu malen und Generationen investierten ihr Vermögen, ihren Schweiß, sogar ihr Blut, um Erlösung zu erlangen von der großen Lücke, die sich aufgetan hatte, seit die Statue verschwunden war.

Die Erinnerung verblasste und die Hoffnungen versandeten, ohne jemals Früchte zu tragen. Vergessen wurden Stein und Moos und die gleißenden Augen der Schlange, bis schlussendlich auch der Name des Künstlers vergessen war, der diese Statue erschaffen hatte.
Ich alleine erinnere mich noch an alles und könnte ohne Mühe eine neue Statue wie diese anfertigen. Ich werde es nicht tun. Die von mir erschaffene Statue wäre nicht wie diese, denn eine Statue, die ich erschaffen hätte, würde niemals einfach von dannen spazieren.
Genau dies geschah in einer lauen Nacht, ich stand dabei als einziger Zeuge. Ich sah den Greif lebendig und die Schlange ihren letzten Atem aushauchen. Ich sehe noch heute die Spuren dieser Nacht, doch ich bezweifle, dass viele sie überhaupt entziffern könnten, wenn sie sie sähen.

In meinem Antlitz liest der kundige Sucher das Erstaunen über den Flug des Greifen. Ich bin die Statue daneben. Versucht mich zu finden.